10 Tipps und Infos für den Umgang mit bettelnden Menschen
1. Soll ich bettelnden Menschen Geld geben?
Ja. Wer darauf angewiesen ist zu betteln, oder gar auf der Straße lebt, weiß am besten, was er oder sie gerade benötigt und wie das wenige Geld ausgeben, das ihm oder ihr zur Verfügung steht. Es ist ein kleiner, aber entscheidender Raum für die eigene Freiheit und Würde. Und diesen Raum sollten wir den Menschen lassen.
Klar, der bettelnde Mensch kann das Geld dann für etwas ausgeben, was wir für nicht sinnvoll erachten - zum Beispiel für Alkohol. Aber erstens sind, entgegen vieler Klischees, bei weitem nicht alle Menschen, die betteln oder auf der Straße leben, dem Alkohol oder den Drogen verfallen. Und zweitens: Ist jemand tatsächlich süchtig, braucht er oder sie das Alkohol oder die Drogen, um zu überleben.
Wenn ich dem bettelnden Menschen direkt kein Geld geben möchte, kann ich auch Vereine, Verbände und Einrichtungen finanziell unterstützen, die obdachlose und arme Menschen unterstützen.
2. Gibt es eine Empfehlung, wie viel ich geben sollte?
Eine solche Empfehlung gibt es nicht. Die Frage ist, was kann und will ich mir leisten. Meistens gebe ich so viel, dass es mir nicht weh tut. Ich darf mich aber fragen, ob ich nicht großherziger sein könnte in Anbetracht all dessen, wofür ich selbst Geld ausgebe. Bei einem bettelnden Menschen könnte ich in Menschlichkeit und Solidarität investieren. Keine schlechten Wertanlagen.
3. Sind Sachspenden nicht besser als Geld?
Ein belegtes Brötchen oder ein Becher Kaffee mögen aus meinem persönlichen Empfinden sinnvoller sein. Was aber, wenn es der zehnte Kaffee und das sechste Brötchen an diesem Tag ist, die der bettelnde Mensch geschenkt bekommt, und sie deshalb im Müll landen? Sachspenden sind nur dann okay, wenn die Person, der ich helfen will, ausdrücklich danach gefragt hat. Das ist ähnlich wie mit Gutscheinen. Sie bevormunden bettelnde Menschen und sprechen ihnen das Recht ab, frei zu entscheiden.
Anders verhält es sich mit Sachspenden an Organisationen, die diese gezielt und entsprechend den Bedarfen der Hilfsbedürftigen sammeln. Zum Beispiel rufen diese Organisationen vor Wintereinbruch dazu auf, Schlafsäcke und Isomatten vorbeizubringen. Wer gut erhaltene und saubere Schlafsäcke übrig hat, sollte das tun - oder gleich Neuwertiges besorgen und spenden.
4. Bei uns muss doch keiner betteln oder obdachlos sein, oder?
Deutschland ist ein reiches Land, die Arbeitslosigkeitsquote ist niedrig, seit einigen Jahren gilt ein gesetzlicher Mindestlohn. Und doch sind hierzulande viele Menschen arm oder von Armut bedroht. Das hat viele Gründe. Einer davon ist, dass Menschen, die schon lange arbeitslos sind, es sehr schwer haben, wieder eine Stelle zu finden. Ein anderer ist, dass Menschen, die Teilzeit arbeiten (zum Beispiel, weil sie jemanden pflegen müssen oder aus gesundheitlichen Gründen) trotz Mindestlohn nicht genug zum Leben verdienen. Krankheiten, Sucht, psychische Probleme, familiäre Probleme wie eine Trennung können auch zu Armut führen.
Viele Leute denken, dass bettelnde Menschen selbst schuld an ihrer Situation sind. Dieter Puhl von der Berliner Bahnhofsmission sieht das anders: "Wenn ich paranoid und schizophren bin und noch fünf Promille im Blut habe, kann ich mir keine Schuldfrage mehr stellen."
Ein weiteres Vorurteil ist, dass in Deutschland keiner obdachlos sein muss. Theoretisch trifft das zu. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Bezahlbarer Wohnraumist in Deutschland zunehmend Mangelware. Hat jemand keine Wohnung, hat er oder sie zwar Anspruch auf ein Dach über dem Kopf. Denn: Kommunen sind verpflichtet, Schlafnotstellen und Wohnraum zur Vermeidung von Obdachlosigkeit zur Verfügung zu stellen. Doch diese allein lösen das Problem nicht.Sie sind eben nicht mehr als Schlafnotstellen.
5. Warum ist mir die Begegnung mit Bettlern unangenehm?
Viele Menschen haben Angst, selbst einmal ein solches Schicksal zu erleben. Sie fühlen sich unsicher und hilflos, schauen lieber weg, als sich der Realität zu stellen, sich mit der unangenehmen Kehrseite unserer Konsum- und Wohlstandsgesellschaft auseinanderzusetzen. Viele Geschichten zeugen davon, wie schnell ein "Abstieg aus der Gesellschaft" erfolgen kann. Meist sind es mehrere Schicksalsschläge, die zusammenkommen: Krankheit, Jobverlust, Überschuldung, Trennung…
6. Stimmt es, dass es immer mehr Bettelnde gibt?
In der U-Bahn, vor dem Supermarkt, auf der Einkaufstraße: An vielen Orten sehe ich Menschen, die eine Straßenzeitung verkaufen, Flaschen sammeln, die Hand ausstrecken. Wie sich die Zahl bettelnder Menschen insgesamt entwickelt, ist aber schwer zu sagen, denn dazu gibt es keine aussagekräftige Statistik. Auch die Wohnungslosigkeit wird nur zum Teil und erst seit dem Jahr 2022 statistisch erfasst. Tatsache ist: Auch in Deutschland leben viele Menschen in Armut. Zur Armut, die man auf der Straße sieht, kommen noch viele Menschen hinzu, denen ich es äußerlich nicht ansehe, dass sie in einer prekären Situation leben. Gerade nach der Corona-Pandemie und infolge der Inflation sind viele Menschen in finanzielle Schwierigkeiten geraten
7. Ich fühle mich durch bettelnde Menschen belästigt. Was kann ich tun?
Ich muss mich nicht beschimpfen oder anpöbeln lassen. Fühle ich mich belästigt durch einen bettelnden Menschen, darf ich meine Ablehnung zeigen, indem ich das Gespräch beende oder „Nein” sage. Habe ich das Gefühl, dass mir die Situation zu entgleiten droht, kann ich mich wie bei jeder anderen Form von grenzüberschreitendem Verhalten im öffentlichen Raum anderen Personen zuwenden und diese um Unterstützung bitten.
8. Ist Betteln überhaupt erlaubt?
Das Betteln ist in Deutschland nicht verboten und das "stille Betteln" seit 1974 nicht mehr strafbar. Betteln an einigen Orten zu verbieten, löst das Problem nicht im Ansatz. Platzverweise verlagern es allenfalls. Die Menschen wandern weiter oder tauchen an anderer Stelle wieder auf. Armut gehört sozialpolitisch in die Mitte unserer Gesellschaft, nicht an den Rand und schon gar nicht außerhalb.
"Aggressives” Betteln allerdings kann in Deutschland als Nötigung eingestuft und geahndet werden. Werden falsche Lebensumstände wie Blindheit oder eine verlorene Geldbörse vorgetäuscht, gilt das als Betrug. Bei aggressivem Betteln kann ich Strafanzeige stellen. Zudem können Kommunen bandenmäßiges oder organisiertes Betteln untersagen.
9. Gibt es organisierte Bettlerbanden?
Für eine sogenannte "Bettelmafia” gibt es in Deutschland keine polizeilichen Belege. Viele Menschen, etwa aus Südosteuropa, kommen nach Deutschland, um Armut und Ausweglosigkeit in ihrem Heimatland zu entkommen. Ihre starke Familien- und Gruppensolidarität führt dazu, dass sie sich gemeinsam auf die Reise machen, gemeinsam wohnen und gemeinsam betteln. Das heißt noch lange nicht, dass man es mit "organisierten" Banden zu tun hat, und erst recht nicht, dass etwas Kriminelles daran wäre.
10. Ist die Not der bettelnden Menschen nur gespielt?
Für jeden Menschen gilt: Keiner lebt ohne Grund auf der Straße, keiner bettelt freiwillig. Die Gründe können für mich nachvollziehbar sein oder nicht, es gibt sie aber. Und dahinter steckt in fast allen Fällen Not.
Info zum Text
Die Tipps stammen urspünglich aus dem Leitfaden „Arm in Köln: Caritas-Leitfaden für einen Umgang mit Betteln und Armut” des Caritasverbandes für die Stadt Köln. Der Leitfaden wurde in Zusammenarbeit mit erfahrenen Fachleuten verschiedener Fachverbände erarbeitet.
Fotos
Harald Oppitz (KNA), Jo Schwartz, Klemens Bögner